Patriarchat, dein Name sei Legende

Jede gute Geschichte braucht einen Antagonisten. Ein Monster, gegen das man mit Fackeln und Mistgabeln losziehen kann. Für Teile der FLINTA-Community (Frauen, Lesben, Inter-, Nicht-binäre, Trans- und Agender-Personen) ist dieses Monster klar benannt: das Patriarchat. Dieser nebulöse, allgegenwärtige Überbösewicht, der Schuld an allem ist – vom unerreichbaren Schönheitsideal über dem falschen Namen auf dem Starbucks-Becher bishin zum wackeligen IKEA-Regal. Das kollektive Traumatherapie scheint en Vogue.

Die böse Macht mit tausend Gesichtern

Das Patriarchat, ein Begriff so allumfassend wie das Universum selbst. Es taucht überall auf und nirgendwo. Es ist der Chef, der dich kritisiert, was selbstverständlich nie auf Grund Deiner Leistung passiert). Es ist der Typ im Club, der dir ungefragt einen Drink spendiert. Es ist dein eigener Vater, wenn er dich als 5 Jährige ermahnt, den Teller leer zu essen. Wer braucht schon konkrete Feindbilder, wenn man ein System hat, das alles erklärt?

Dieses „System“ wird oft wie ein Geist beschrieben – unsichtbar, aber überall. Und natürlich seit Anbeginn der Zeit aktiv. Dass über Jahrtausende hinweg Frauen und andere FLINTA-Gruppen ökonomisch, politisch und gesellschaftlich benachteiligt wurden, ist keine Frage. Aber hier stoppt die Diskussion, weil weitere Analysen unbequem werden. Ist es nicht einfacher, den Schuldigen in einer nebulösen Struktur zu suchen, statt sich den individuellen Verantwortungen zu stellen? Denn, psst: Machtverhältnisse sind selten so eindimensional.

Triggerwarnung: Eigenverantwortung ahead!

In der Welt der kollektiven Traumata hat Eigenverantwortung den Stellenwert eines Schönwetterkapitäns. Sicher, Teile FLINTA-Community hat einiges zu bewältigen, von Diskriminierung bis hin zu Gewalt. Aber wer die ganze Zeit damit verbringt, gegen äußere Umstände zu kämpfen, riskiert, sich selbst aus dem Spiel zu nehmen. Wo bleibt die Reflexion darüber, wie man eigene Dynamiken ändern kann? Ach ja, das würde ja bedeuten, die Opferrolle zu verlassen.

Die Opferrolle ist jedoch bequem. Sie gibt dir einen klaren Schuldigen und entbindet dich von der Pflicht, an dir selbst zu arbeiten. Warum sich mit der eigenen Mängeln auseinandersetzen, wenn man das Patriarchat dafür verantwortlich machen kann, dass man den Job nicht bekommen hat?

Von Übermacht zu Ohnmacht: Das Trauma als Lifestyle

Das kollektive Trauma ist nicht nur ein Thema, es ist ein Statussymbol geworden. Wer am lautesten über seine Wunden schreit, erhält die meiste Aufmerksamkeit. Hashtags wie #MeToo oder #PatriarchySucks haben sicher ihre Berechtigung, aber sie bergen auch die Gefahr, zum Selbstzweck zu werden.

Einige Aktivist:innen scheinen ihr Trauma geradezu zu zelebrieren, als wäre es ein besonders schicker Rucksack, den man bei jeder Gelegenheit zur Schau stellen muss. Dabei wird das Narrativ immer radikaler: Nicht nur das Patriarchat ist schuld, sondern alle, die nicht aktiv genug dagegen kämpfen. Und so kreieren wir neue Gräben, neue Feindbilder – oft innerhalb der eigenen Reihen.

Wenn das Patriarchat für alles herhalten muss

Ein Paradebeispiel für die Allgegenwärtigkeit des Patriarchats ist die moderne Arbeitswelt. Warum sind so wenige Frauen in Führungspositionen? Warum verdienen FLINTA-Personen oft weniger als ihre männlichen Kollegen? Die Antwort ist schnell gefunden: Das Patriarchat.

Selten ist es wirklich so einfach. Während das System sicher strukturelle Hürden aufweist, ignoriert man oft andere Faktoren. Karriereentscheidungen, individuelle Prioritäten oder die Frage, ob jemand überhaupt Führungsverantwortung übernehmen möchte, werden selten diskutiert. Das Patriarchat hat für diese Diskussionen keine Zeit, es ist zu beschäftigt, für alles verantwortlich gemacht zu werden.

Trauma-Heilung als Businessmodell

Selbsthilfe-Workshops, feministische Ratgeber, Empowerment-Coaches – das kollektive Trauma hat einen Markt geschaffen, der boomt. Manchmal fragt man sich, ob Heilung wirklich das Ziel ist, oder ob das perpetuierte Opferbewusstsein nicht viel lukrativer ist. Warum die Wunden heilen lassen, wenn man mit Empowerment-Büchern, teuren Workshops und Selbsthilfe-Seminaren ein Vermögen machen kann?

Und so drehen sich die Diskussionen im Kreis. Die FLINTA-Community bleibt in einem endlosen Zyklus aus Schmerz und Anklage gefangen, während Unternehmen und Influencer:innen ihre Bankkonten füllen. Heilung? Die kostet extra.

Patriarchat 2.0: Die Neuauflage des Bösewichts

Vielleicht wird es Zeit, das Patriarchat als den ultimativen Antagonisten zu hinterfragen. Nicht, um die realen Probleme zu verharmlosen, sondern um neue Perspektiven zu eröffnen. Was wäre, wenn das Narrativ vom äußeren Feind durch ein komplexeres ersetzt würde? Eins, das sowohl strukturelle Ungerechtigkeiten als auch individuelle Verantwortung anerkennt?

Die FLINTA-Community hätte das Potenzial, mehr zu sein als eine Gruppe, die sich über ihre Traumata und Neurosen definiert. Aber dafür müsste sie bereit sein, das Patriarchat von seinem Sockel zu holen und sich auf das einzulassen, was danach kommt. Ob das gelingt? Die Geschichte bleibt spannend.

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