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Virtue Signaling für Fortgeschrittene

Es gibt diese Sorte Mann, die auf sozialen Medien gerne den glänzenden Ritter spielt. Der eine, der auf Twitter wütend „Patriarchat zerschlagen!“ ruft oder in Instagram-Stories beteuert, wie sehr er Frauenrechte unterstützt. Dabei posiert er mit dem richtigen Buch (Simone de Beauvoir ist natürlich Klassiker), repostet den neuesten Feminismus-Trend oder ruft sich selbst zum Antifaschisten aus. Doch hinter der glitzernden Fassade lauert oft nichts als heiße Luft — das perfekte Beispiel für Virtue Signaling, diese hohle Kunst, die eigene moralische Überlegenheit zu inszenieren, ohne wirklich etwas zu riskieren.

Antifaschismus: Das absolute Minimum

Lassen wir uns kurz über Antifaschismus aus. Die Idee, dass man sich öffentlich als „Antifaschist“ positionieren muss, ist schon an sich bizarr. Wer bitte schön, möchte offen für Faschismus eintreten? Der Widerstand gegen autoritäre und menschenverachtende Ideologien ist keine heroische Leistung, sondern die Basis — wie Zahnhygiene. Wenn du kein Antifaschist bist, bist du das Problem. Punkt. Männer, die sich dieses Label überstolz anheften, wirken wie jemand, der damit prahlt, nicht in den Pool zu pinkeln. Gratulation, du hast es geschafft, nicht komplett unmoralisch zu sein.

Doch für diese Ritter der Selbstgerechtigkeit reicht das Minimum offenbar nicht. Nein, sie müssen sich auch als Feministen deklarieren — als wäre es ein Elite-Abzeichen. Doch hier liegt der Denkfehler: Männer können keine Feministen sein. Sie können höchstens Allies sein — und selbst das ist kein Grund für Selbstbeweihräucherung.

Warum Männer keine Feministen sein können

Der Begriff Feminismus beschreibt eine Bewegung, die sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter einsetzt, indem sie patriarchale Strukturen hinterfragt und abbaut. Diese Strukturen begünstigen überwiegend Männer — und das auf einer Ebene, die sie selbst oft nicht einmal bemerken. Als Mann profitierst du automatisch vom Patriarchat, ob du willst oder nicht. Dein Geschlecht ist der Default in den meisten gesellschaftlichen Kontexten. Feminist zu sein, würde bedeuten, diesen Default zu ändern, deine eigene Macht und Privilegien aktiv infrage zu stellen — nicht nur in der Theorie, sondern in der Praxis.

Doch genau hier scheitern die meisten dieser selbsternannten Feministen. Sie können lautstark „Smash the Patriarchy!“ twittern, aber ihre eigene Rolle im System reflektieren? Fehlanzeige. Wie viele dieser Männer haben sich mal ernsthaft gefragt, wie ihre Karrierewege, ihre Beziehungen oder ihre gesellschaftliche Stellung durch unfaire Vorteile geprägt wurden? Wie viele haben ihre eigenen Verhaltensmuster kritisch hinterfragt — und auch ändern wollen? Wahrscheinlich erschreckend wenige.

Allyship als Alternative?

Der Begriff „Ally“ — also Verbündeter — wird oft als Alternative für Männer vorgeschlagen, die Feminismus unterstützen möchten. Doch auch hier gilt: Ein Ally ist keine Identität, sondern eine Handlung. Es geht nicht darum, sich selbst mit einem fancy Label zu schmücken, sondern aktiv die Anliegen der Bewegung zu unterstützen. Das bedeutet zuhören, Raum geben, Risiken eingehen. Ein echter Ally tritt zurück, wenn es darauf ankommt, und stellt nicht die eigene Moral zur Schau.

Leider ist echter Allyship anstrengend — viel anstrengender als ein überzeugender Insta-Post. Es bedeutet, die eigene Macht zu nutzen, um andere zu stützen, ohne dafür Applaus zu erwarten. Es bedeutet auch, Fehler einzugestehen und Kritik auszuhalten. Doch viele dieser „Feministen“ scheinen eher daran interessiert, ihr Ego zu pflegen, als echte Arbeit zu leisten. Ihr Engagement endet oft da, wo es unbequem wird.

Warum Virtue Signaling schädlich ist

Virtue Signaling ist nicht nur ärgerlich, sondern auch kontraproduktiv. Wenn Männer sich als Feministen bezeichnen, ohne wirklich feministische Arbeit zu leisten, verwässern sie den Begriff. Es wird schwerer, echte Mitstreiter von Selbstdarstellern zu unterscheiden. Noch schlimmer: Sie lenken die Aufmerksamkeit von den Frauen ab, die die eigentliche Arbeit leisten. Der Fokus verschiebt sich von den Anliegen der Bewegung hin zu den Männern, die sich als ihre Helden präsentieren.

Das schafft ein toxisches Umfeld, in dem Frauen gezwungen sind, männliche Allies zu loben, anstatt ihre eigenen Stimmen zu erheben. Es gibt Männer, die ihren Status als „Feminist“ sogar nutzen, um Frauen zu manipulieren oder auszunutzen — ein perfider Missbrauch von Vertrauen und Macht.

Kein Applaus für Selbstverständlichkeiten

Antifaschismus ist das Minimum, Feminismus ist harte Arbeit, und Virtue Signaling ist der größte Betrug an der Sache. Männer, die sich öffentlich als Feministen bezeichnen, sollten weniger Zeit damit verbringen, sich selbst zu feiern, und mehr Zeit damit, echte Verbündete zu sein. Denn am Ende ist Feminismus keine Show — es ist eine Revolution. Und die erfordert mehr als ein paar wohlplatzierte bissige Tweets.